Sonntag, 6. März 2011

Bildung

Lesen und Schreiben habe ich mir als Vierjähriger selbst beigebracht. Das ist nichts Besonderes. Wir lernen ja auch das Sprechen ohne Lehrer und in meiner Familie wurde viel gelesen. Nur im Kindergarten war ich deshalb schon so anders, dass ich dafür verprügelt wurde. Als ich zur Schule kam, hat man mir erzählt, dass nun Schreibschrift angesagt sei. Weil ich noch nie ein Buch oder eine Zeitung in Schreibschrift gesehen hatte, verlor ich schon im ersten Schuljahr jedes Interesse an Schulbildung. Dafür wurde ich zum Literaturjunkie und verbrachte die Nächte heimlich mit den Büchern meines Vaters. Zuerst die Jugendliteratur. Dann die Krimis und Western. Die Klassiker in den Reader's Digest Ausgaben. Und anschließend waren die Bücher über Geschichte und Politik nicht mehr vor mir sicher. Das hatte zur Folge, dass ich in der Schule nicht besonders ausgeschlafen aussah. Mein Mathematiklehrer hielt mich jedenfalls für geistig zurückgeblieben und meinte, man könne mir nichts beibringen. So hat er es jedenfalls meinen Klassenkameraden erklärt. War aber nicht weiter schlimm, weil ich eine nette Lehrerin in der Nachbarschaft hatte, die mich Rechnen lehrte. So kam es, dass ich die Schule, in der ich nichts gelernt hatte, außer ein harter Hund zu werden, den niemand mehr verprügelte, nach neun Jahren mit einem gut durchschnittlichem Zeugnis verlassen konnte.

Heute werde ich mit jungen Menschen konfrontiert, die einen Schulabschluss bekommen, ohne einen fehlerfreien Satz schreiben zu können. Sie wissen nichts von Flächenberechnung und obwohl ihr Englischunterricht schon in der Grundschule beginnt, verstehen sie kein Englisch. Und dass man ihnen inzwischen den Gebrauch von Kondomen beibringt, bevor sie überhaupt Haare am Sack haben, wird die Anzahl alleinerziehender Mütter auch nicht senken.

Ich bin bildungsfern und stolz darauf. Ich weiß immer noch nicht, wie man ein Mobiltelefon bedient, aber ich kann ohne Grillanzünder Feuer machen. Und ich werde nicht müde, es zu wiederholen:

Man benötigt eine gewisse Bildungsferne, um die Verkommenheit unseres Bildungssystems zu durchschauen.





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Die Farbenfabrik

Als ich 18 Jahre alt war, arbeitete ich für einige Monate in einer Farbenfabrik. Meistens hatte ich im Freien zu tun und dafür war ich dankbar, denn wenn ich nicht damit beschäftigt war, verrostete Container von innen mit Abbeizer zu säubern, machten mir die Chemikalien dort weniger zu schaffen. Nur die Pfützen mit Verdünnung, durch die man auf dem ganzen Gelände lief, kosteten mich ein Paar Schuhe. Damit konnte ich leben, denn immerhin verdiente ich über 11 Mark in der Stunde und es sollte Jahre dauern, bis ich wieder einen so guten Lohn bekam.

Am Rand des Geländes gab es eine Wiese, auf der Unmengen von leeren Fässern standen, die zu entsorgen zu teuer war und die nur sehr sporadisch von Zulieferern mitgenommen wurden. Eines Tages bekam ich den Auftrag, gemeinsam mit einem Kollegen lange Holzpfosten in den Boden zu schlagen, zwischen welchen die Fässer liegend gestapelt werden konnten.

Auf einem Fass stehend den Vorschlaghammer zu schwingen ist eine üble Knochenarbeit. Noch viel übler ist diese Arbeit, wenn es regnet. Regen war keine gültige Ausrede, um sich vor der Arbeit zu drücken. Und es regnete richtig.

Bald sah ich nichts mehr, meine Füße rutschten auf dem Fass und meine Muskeln schmerzten von der Anspannung, die nötig war, um den nassen Hammerstiel zu halten. Einigermaßen trocken war nur noch das Geräusch, mit dem der Hammer auf das Holz traf.
Aber ich war 18 Jahre alt und ein 18jähriger verfügt noch über Kraftreserven, mit denen er sich selbst überraschen kann. Diese Kraft zu spüren bedeutete, das Leben zu spüren. Diese Kraft war das Leben.

Die Arbeit wurde fertig und wenig später war ich mit dem Job in der Farbenfabrik fertig und für mich begann ein neuer Lebensabschnitt.

Die Geschichte liegt nun 30 Jahre zurück und obwohl mir meine Augen und meine Gelenke zu schaffen machen, ist noch genug von der alten Kraft vorhanden. Ich bin nie reich oder wichtig geworden, aber wenn ich in den Bergen bin und der Regen prasselt in mein Gesicht, spüre ich einen Reichtum, der mit Geld nicht zu bezahlen ist. Dann spüre ich das Leben und wenn ich es eines Tages nicht mehr spüre, habe ich es zumindest gespürt.


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Von schwarzen Schafen

      Ein schwarzes Schaf in einer Herde ist, nun ja, putzig. Kinder und Stadtmenschen zeigen mit dem Finger darauf und lassen sich von den süßen Tierchen zu Ausrufen des Entzückens hinreißen.

      Bauer Lempke nahm das zur Kenntnis und konnte es sich leisten, unter vielen nützlichen Tieren auch solche zu umsorgen, deren Wolle wertlos war. Umso größer die Herde, umso mehr schwarze Schafe vertrug sie. Doch wenn die Herde nicht gesund war und schrumpfte, waren es nicht unbedingt die schwarzen Schafe, die gefördert wurden.

      Es begab sich aber zu der Zeit, als es Bauer Lempkes Herde besonders gut ging, dass den schwarzen Schafen die Aufmerksamkeit bewusst wurde, die man ihnen schenkte. Fachleute in Sachen Schafzucht und Wollverarbeitung sahen zwar mit gerümpften Nasen über sie hinweg und machten nach wie vor die Qualität der Wolle zum Maßstab ihrer Beachtung, doch für dumme Schafe war pure Masse schon immer von höherem Wert, als echte Kompetenz.

      Bald taten sich die schwarzen Schafe zusammen und fühlten sich unglaublich wichtig. Wer unangenehm auffiel, musste schließlich sonst nichts mehr leisten, um bewundert zu werden. Also gründeten sie innerhalb der Herde eine Gemeinschaft, die sich dreist „Die Wölfe“ nannte. Echte Wölfe waren nämlich in Bauer Lempkes Gegend höchst selten. Und wenn sich ein echter Wolf unter die Schafe mischte, pflegte er sich mit einem besonders prächtigen weißen Schafspelz zu tarnen. Weiße Schafe standen immerhin in einem hohen Ansehen und genossen ihr Leben ohne Angst vor dem Metzger.

      Wonach sich die schwarzen Schafe „Wölfe“ nannten, fiel es den echten Wölfen noch leichter, sich ungestört unter den Schafen zu bewegen. Sie mussten sich nicht mehr mit weißer Wolle tarnen. Statt dessen verkauften sie den Schafen billige Wolfskostüme. Besonders die jungen Schafe fielen darauf herein. Die Speisekammern der Wölfe platzten bald aus allen Nähten, doch besonders kluge Wölfe sahen, dass dieser Zustand nicht von Dauer sein konnte und behielten ihre weißen Schafspelze als Tarnung. Zuerst wurde ihnen die Arbeit noch leichter gemacht, denn die Schafe, die sich nun „Wölfe“ nannten, bestanden auf Gleichbehandlung in der Herde und führten sich besonders dreist auf.

      Eines Tages sah der Bauer Lempke, dass sich Wölfe vollkommen ungestört unter seinen Schafen bewegten. „Blöde Viecher“, dachte er und holte sein Gewehr. Er erschoss jeden einzelnen Wolf und verbrannte die Kadaver. Muss an dieser Stelle erwähnt werden, dass dem Gewehr des Bauern kein echter Wolf zum Opfer fiel? Blöde Viecher!





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Schnaps

Als Halbwüchsige tranken wir Schnaps, weil wir das für die Eintrittskarte für die Welt der Erwachsenen hielten, zu der es uns hinzog. Bis auf ganz wenige Ausnahmen, die fortan als schlechtes Beispiel dienten, kamen wir gestärkt und tatsächlich etwas erwachsener aus dieser Phase heraus. Einige von uns lernten, kultiviert zu trinken und andere hörten ganz damit auf. Beides lehrt uns die Disziplin, ohne die unsere Ziele nur wertlose Wünsche sind. Heute scheint die Welt der Erwachsenen, in der man täglich Entscheidungen trifft, für die man geradestehen muß, jede Anziehungskraft verloren zu haben. Die Furcht vor dieser Welt hat für die meisten Leute so groteske Ausmaße angenommen, dass sie bereit sind, Entscheidungen an verkommene Menschen zu delegieren, von denen sie nur zu genau wissen, dass diese niemals dafür geradestehen werden. 


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Evel Knievel

Die späten 80er Jahre. Meine Freundin schoss auf ihrer kleinen Enduro durch die schmalen Straßen ihres Heimatdorfes. Wir hatten nach den Pferden gesehen und nun wollte sie ein kleines Rennen. Eine Enduro ist wendiger, als ein wild umgebauter Chopper, aber ich ließ mich nicht abhängen. Da steuerte sie auf die kleine Brücke zu, vor der die Straße einen Absatz, einer Rampe nicht unähnlich, hatte. Normale Menschen bremsten an dieser Stelle auf Schrittgeschwindigkeit herunter und viele Einheimische nahmen einen Umweg zur nächsten Brücke in Kauf, um ihre Fahrzeuge zu schonen. Mit einer Enduro ließ sich die Brücke der gesamten Länge nach überspringen.

Ich habe nie behauptet, besonders normal zu sein und ich hatte einige PS mehr zur Verfügung. Erwähnte ich schon, dass ich mit verkürzten Federn und einer ungepolsterten Sitzbank fuhr, um der Straße näher zu sein? Jedenfalls zeigte mir der nächste Blick nach untern, dass ich mich erschreckend weit von der Straße entfernt hatte. Man hätte ein paar Kisten Bier auf der Brücke stapeln sollen, um es noch spektakulärer aussehen zu lassen.

Die Landung war hart. Meine Wirbelsäule stauchte sich zusammen, wie die Gabel. Beides hielt und ich kam souverän neben meiner Freundin zum Stehen. Aus ihrem Blick sprach unverhohlene Bewunderung, als sie sagte:

„Ich hätte geschworen, dass du hier bremst.“

Ich war Evel Knievel. Zumindest für einen Moment. Anschließend litt ich für Wochen unter höllischen Rückenschmerzen. Aber ich wäre lieber gestorben, als mir das anmerken zu lassen.



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Die Macht zum Wille

„Hier macht jeder, was er will," donnerte mein Freund, der alte Meister, und ließ beide Fäuste auf den Schreibtisch krachen. Während Bleistifte, Messinstrumente, Unterlagen und der kristallene Aschenbecher ihren beeindruckenden Tanz beendeten, raufte er sich auch schon die Haare und seufzte:
      „Ich halte das nicht mehr aus."
      „Wenn wirklich jeder macht, was er will, dann muss es doch ganz ordentlich laufen," grinste ich ihn an und kippte meinen Stuhl lässig nach hinten.
      „Pinter," brummte er in gespielter Verzweiflung, „ich habe schon genug Ärger an der Backe. Verarsch du mich nicht auch noch!"
      „Tu ich nicht, Wilhelm," sagte ich, „das Problem ist ja nicht, dass die Menschen machen, was sie wollen. Das Problem ist, dass sie nicht wissen, was sie wollen und dass es Disziplin voraussetzt, zu machen was man will."
      Ich deutete mit dem Daumen auf die aktuelle Ausgabe einer beliebten Tageszeitung, die es eben an den Rand seines Schreibtisches geschafft hatte. Dort prangte in großen Buchstaben die Überschrift:
Ich wollte niemandem weh tun
(Die ganze Aussage des Massenmörders von Efflingen lesen Sie auf Seite 4)

      „Mann, du weißt doch hoffentlich, dass ich dieses Käseblatt nur wegen des Sportteils und der nackten Weiber lese. Sag mal, was ist, wenn ich einen neuen Rolls Royce mit Chauffeur haben will?"
      „Dann musst du dir entweder etwas Gewinnbringendes einfallen lassen, oder du musst mit dem Vorwurf leben, den Realitätssinn verloren zu haben."
      „Schon kapiert. Aber ich mache lieber meinen eigenen Test."
      Aus den Augenwinkeln sah ich einen Burschen im Blaumann an der offenen Bürotür vorbeigehen. Ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Kerl einen Bogen um die Tür machte.
      „Kalle," brüllte mein Freund und der Angesprochene zuckte sichtlich zusammen, kam aber sogleich schlurfenden Schrittes ins Büro.
      „Was willst du hier eigentlich?"
      „Ich, äh, ich... wie meinen Sie das?" stotterte Kalle.
      „Spreche ich Spanisch? Warum bewegst du deinen Hintern an fünf von sieben Tagen in diesen Betrieb?"
      „Ach so. Natürlich will ich hier möglichst gute Arbeit machen."
      „UND WARUM LÄUFST DU DANN HIER HERUM, ALS HÄTTEN WIR NICHTS ZU TUN?" brüllte Wilhelm, der nun ganz in seinem Element war. Ich weiß nicht, ob ich in diesem Augenblick das Opfer einer optischen Täuschung wurde, denn mir schien es, dass Kalle plötzlich 20 cm kleiner war. Ich drehte mich zum Fenster, um mein Lachen zu verbergen.
      Einen Moment später war Kalle verschwunden und in der Tür stand ein junger Mann, der dem Gespräch offenbar interessiert zugehört hatte. Ein Hobby-Revolutionär mit strähnigem Haar, einem Duzend Ohrringen und einem Gewerkschafts-Anstecker am Revers seines Kittels.
      „Und was willst du in dieser Bude?" fragte Wilhelm.
      Unser Revolutionär hatte mehr Schneid als Kalle. Er wagte sich sofort vor den Schreibtisch und sah dem Meister tief in die Augen, als er sagte:
      „Ich will mit möglichst wenig Arbeit möglichst viel Geld verdienen."
      Mein alter Freund grinste ihn an, was bei ihm allerdings nach gefletschten Zähnen aussah, während er entgegnete:
      „Und ich will, dass du für möglichst wenig Geld möglichst viel arbeitest. Solange wir uns in der Mitte treffen, passen wir zusammen. Aber werde nicht frech!"
      Wonach sich der kleine Revolutionär mit einem fröhlichen Winken verabschiedet hatte, erläuterte mir der Meister:
      „Der Junge darf sich das nur erlauben, weil er wirklich etwas auf dem Kasten hat. Aus dem könnte noch etwas werden." Nach kurzem Zögern fügte er lachend hinzu:
      „Wenn er weiß, was er will."
      Dann verfinsterte sich sein Blick. Er griff nach einem Brief, der auf seinen Unterlagen lag, stemmte sein beachtliches Gewicht mir erstaunlicher Schnelligkeit vom Stuhl und bedeutete mir, ihm zu folgen. Zielstrebig wie ein Schlachtschiff marschierte er an Maschinen und Werkbänken vorbei durch die Fertigungshalle und mir blieb nichts anderes übrig, als in seinem Kielwasser zu folgen. Diesem Mann hatte gewiss noch niemand unterstellt, er wisse nicht, was er wolle.
      Der Marsch meines Freundes endete in der Lehrlingswerkstatt, wo bei seinem Eintreten fünf Köpfe ängstlich eingezogen wurden. Wenn Papier unheilvoll rascheln kann, dann tat es der Brief in seiner Hand.
      Wilhelm stampfte auf einen sommersprossigen Halbstarken zu und drehte gleich richtig auf:
      „Was immer du hier willst, Lernen gehört wohl nicht dazu, schreibt die Berufsschule."
      Der Knabe öffnete den Mund, doch bevor er etwas sagen konnte, hatte der Meister ihm den Brief von Links und Rechts um die Ohren geschlagen und auf dem Absatz kehrt gemacht. Vor der Tür klagte er:
      „Manchmal denke ich, dass ich nur von willenlosen Schwachköpfen umgeben bin."
      „Oscar Wilde sagt: Willenskraft ist die Grundlage des Charakters," zitierte ich und sofort blieb er wie angewurzelt stehen und runzelte die Stirn. Seine gewaltige Pranke klatschte auf meine Schulter und er sagte:
      „Sag deinem Kumpel Oscar, er soll zusehen, dass er bei uns als Personalchef anfängt! Der könnte mir diese charakterlosen Schwachköpfe vom Hals halten."
      Manchmal überraschte mich Wilhelm wirklich.



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Der Cousin meines Freundes

Der Cousin meines Freundes war früher ein wilder Bursche, der sich gut mit Hunden verstand. Verstand er sich mit einem Hund nicht, ließ er sich auf einen Kampf ein. Und gewann immer.

Als einmal ein Familienfest angesagt war, erklärte der Vater meines Freundes dem Cousin meines Freundes:

Mein neuer Wachhund ist das gemeinste und bissigste Tier, das ich jemals hatte. Leg dich nicht mit ihm an, sonst tötet er dich!“

Im Verlauf des Festes verschwand der Cousin meines Freundes und stand erst am späten Abend wieder vor der Haustür. Hemd und Hosen hingen ihm in Fetzten vom Leib und er blutete aus zahlreichen Wunden. Mit schiefem Grinsen wendete er sich an den Vater meines Freundes:
Ich habe deinen neuen Hund in den Schuppen gesperrt.“

Der Cousin meines Freundes ist inzwischen älter und ruhiger geworden. Wenn man mit ihm trinkt, erkennt man aber immer noch den wilden Blick in seinen Augen.



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Party!



Sie hatten die Polizei informiert. In der Stadt sprach man aus Prinzip nicht mit der Polizei, aber wir waren in einer sehr ursprünglichen Ecke des Bayerischen Waldes und in solchen ursprünglichen Gegenden gab es noch anständige Polizisten, die ihre Verantwortung gegenüber Verwandten und Nachbarn ernst nahmen. Sie hatten also zwei Polizisten, die mit ihren eigenen Leuten verwandt oder verschwägert waren, darüber informiert, dass sie eine kleine Party im alten Steinbruch veranstalteten. Und da wäre es ganz nett, wenn sich die Kollegen vom Revier heraus hielten.

Ich habe damals Hunderte von diesen Partys in ganz Deutschland und im benachbarten Ausland besucht und bei einigen davon meinen Beitrag zur Organisation geleistet und das hat immer funktioniert. Selbst wenn die Jungs und Mädels zu vorgerückter Stunde Spaß im Kopf hatten und ein wenig die Motoren aufdrehten oder wenn sie am Rande des Geländes mit Flinten und Pistolen auf Bierdosen schossen, ließ sich kein Schutzmann blicken. Spaß hatte man immer.

Der Metzgermeister aus den Reihen des Veranstalters drehte das Spanferkel, das Bier wurde in einem aufblasbaren Kinderplanschbecken mit Eiswasser gekühlt und den lokalen Schnaps schenkte man aus Kanistern ein. Man rauchte etwas Gras, das in ausreichenden Mengen gleich um die Ecke wuchs und das von den alten Männern in der Umgebung schon in die Pfeifen gestopft wurde, als noch niemand auf die Idee kam, es eine Droge zu nennen. Und weil Feiertag war, hatte jemand Kokain mitgebracht, das er großzügig verteilte. Ich machte mir nichts aus Drogen, aber die Kenner unter uns schnalzten mit der Zunge und lobten die Qualität.

Ihre Kommandozentrale hatten die Gastgeber in dem alten Lastwagen untergebracht, mit dem sie auch die Vorräte, das Stromaggregat und was man sonst so braucht, in den Wald gefahren hatten. Und ein paar ausgediente Sofas und Sessel, auf denen wir nun saßen. Die Möbel hatte ein Nachbar für diesen Anlass gespendet. Am Feuer sang jemand zur Gitarre und Hunde und Kinder tobten ausgelassen über das Gelände. Unter den 100 bis 150 erwachsenen Partygästen war wahrscheinlich die Hälfte vorbestraft, doch ich lehnte mich entspannt zurück.

Ich lebe heute etwas zurückgezogen, aber ich habe keine sichereren Orte gesehen, als diese wilden Partys, die ich im ganzen Land besucht habe. Das sind die wahren gallischen Dörfer, die sich inmitten von Spießern und Bürokraten behaupten.


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Der König und der Prahlhans

Es war einmal ein König, in dessen Reich alles recht ordentlich seinen Gang ging. Das funktionierte so gut, weil sich der König nicht mehr als nötig in die Belange seiner Untertanen einmischte. Es gab wenige Gesetze, die Respekt vor Leben und Eigentum der Bürger forderten, es gab eine Polizei, die über die Einhaltung der Gesetze wachte und es gab eine Armee, die das Reich vor Mördern und Dieben von außen schützte. Viel mehr brauchte man nicht und so konnte der König es sich und seinen Hofstaat gut gehen lassen und trotzdem die Steuern niedrig halten. Die Verwaltung blieb überschaubar und alle waren zufrieden.
       Eines Tages begab es sich, dass der König den Wunsch hatte, mehr über seine Untertanen zu erfahren. Er ließ sich ein einfaches Gewand fertigen und quartierte sich in einem Dorfgasthof ein.
       Am ersten Abend trank der König mit einem Winzer.
      „Ei," dachte der König, „es macht Freude, einen Menschen über die Arbeit sprechen zu hören, von der er etwas versteht. Wohl bin ich ein guter Diplomat und finde in der richtigen Gesellschaft die richtigen Worte. Auch vermag ich einen guten Wein von einem schlechten zu unterscheiden, doch wie man einen Weinberg anlegt, davon weiß ich nichts. Vor diesem Mann habe ich Respekt."
       Am zweiten Abend trank der König mit einem Soldaten.
      „Ei," dachte der König, „es macht Freude, einen Menschen über die Arbeit sprechen zu hören, von der er etwas versteht. Wohl kann ich meinen Generälen folgen, wenn sie mir ihre Strategien erklären, mit denen sie einen Feind zurückschlagen wollen und ich vermag zu entscheiden, welche Strategie richtig ist, doch wie man selbst das Schwert schwingt, davon verstehe ich nichts. Vor diesem Mann habe ich Respekt."
       Am dritten Abend trank der König mit einem Mann namens Hans. Der war ein Winzer im Winter und ein Soldat im Frieden und der Winzer und der Soldat nannten ihn den „Prahlhans", weil er immer nur redete und keine Arbeit zuende brachte. Der Prahlhans hatte vor keiner Leistung Respekt, weil er selbst nie etwas geleistet hatte.
       „Der König," sagte er, „sitzt immer nur in seinem feinen Gewand auf dem Thron. Wenn mir nur jemand 100 Goldtaler borgen würde, wollte ich die Baroness heiraten und es auch so halten."
       Da sprach der König:
      „Zufällig ist der Chef der königlichen Bank mein Freund. Ich will mich dafür einsetzen, dass du die 100 Goldtaler bekommst. Aber ich fürchte, du wirst 10 Prozent Zinsen im Monat bezahlen müssen."
      „Kein Problem," rief Hans, „in wenigen Tagen bin ich reich!"
       Der König besorgte die 100 Taler und Hans ließ sich davon eine Krone anfertigen, die doppelt so groß war, wie die Krone des Königs. Doch als er mit diesem lächerlichen Gebilde auf dem Kopf an die Tür der Baroness klopfte, lachte ihn der Kammerdiener aus und jagte ihn vom Hof.
       Am nächsten Abend klagte er dem König sein Leid:
      „Dieses Mal habe ich eine ganz sichere Idee. Wenn mir nur jemand 1.000 Taler borgen würde, könnte ich der Gräfin den Hof machen."
      „Ich will dafür sorgen," erwiderte der König, „dass der Bankier des Königs, der zufällig mein Freund ist, dir 1.000 Taler zur Verfügung stellt. Aber ich fürchte, der Zinssatz ist seit gestern auf 20 Prozent gestiegen."
      „Kein Problem," rief Hans, „in wenigen Tagen bin ich reich!"
       Nun ließ sich Hans eine Kutsche anfertigen, mit der er die Gräfin beeindrucken wollte. Die Kutsche des Königs hatte ein goldenes Wappen auf der Rückseite, also ließ Hans Goldverzierungen auf allen Seiten anbringen. Dadurch wurde der Wagen so schwer, dass sechs statt vier Pferde nötig waren, um ihn vom Fleck zu bewegen. Unnötig zu erzählen, dass er mit diesem Angeberfahrzeug nicht bis zur Gräfin vorgelassen wurde.
       Am nächsten Abend saß Hans wieder mit dem König am Tisch des Gasthofs.
      „Man muss mir noch eine Chance geben," drängte er, „1.100 Taler in Gold und ich verabrede mich mit der Tochter des Königs!"
       Der König zog eine königliche Augenbraue hoch und fragte sich, ob der Spaß nicht zu weit ginge. Aber nein, entschied er, die Prinzessin würde keiner Gefahr ausgesetzt und der Prahlhans bekäme seine Lektion.
      „30 Prozent," sagte er nur.
      „Kein Problem," rief Hans, „in wenigen Tagen bin ich reich!"
       Inzwischen war sogar dem Prahlhans aufgefallen, dass man Geschmack nicht kaufen konnte. Deshalb ging er zum Schneider und kaufte diesem das Gewand ab, welches der auf dem Leibe trug. Anschließend investierte er 1.000 Taler in eine Kutsche, die der königliche Stallmeister in Auftrag gegeben hatte. Nach ein paar Stunden sprach das ganze Land von dem Kavalier, der mit des Königs Tochter zum Essen verabredet war und der König trat die Heimreise an, weil er wissen wollte, wie die Geschichte ausging.
       Die Prinzessin lief ihm am Abend in der Halle entgegen.
       „Vater," rief sie, „der Kerl sah ja toll aus und als er sich den Krug Wein über das Gewand goss, habe ich noch gelacht. Aber als er versuchte, mit Messer und Gabel zu essen, wurde mir so schlecht, dass ich ihn hinauswerfen ließ."
       Da lachte der König und sagte:
      „Ich wusste es. Selbst wenn eines Tages alle Freiherren des Reiches Bücher über Benehmen schreiben sollten, bleibt ein Prahlhans stets ein Prahlhans."
       Tags darauf bat eben jener Prahlhans um eine Audienz. Als er dem König gegenüber stand, erkannte er diesen jedoch nicht. Hans blieb eben ein oberflächlicher Mensch, der in dem Mann auf dem Thron unmöglich den Mann im einfachen Gewand erkennen konnte, mit dem er im Gasthaus getrunken hatte.
      „Ich kann nichts dafür," weinte Hans, während er sich auf die Knie warf.
      „Ich muss der königlichen Bank mehr Geld zurückzahlen, als ich verdienen kann. Ich bitte um Gnade!"
      „Nein," entschied der König weise, „du sollst für den Rest deines Lebens von früh bis spät schuften und bis an das Ende deiner Tage nur noch das Notwendigste zum Leben haben!"
       So geschah es. Hans wurde am Morgen der Helfer des Winzers und am Abend der Diener des Soldaten. Ihm verging sogar das Prahlen.
       Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.






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Die Fabel vom Säbelzahntiger

Liebe Kinder! Vor Tausenden von Jahren lebten auf der Erde die stolzen Säbelzahntiger. Das waren herrliche große Katzen; wahre Könige der
Erde. Die Säbelzahntiger ernährten sich hauptsächlich von wilden Schafen,
die meistens im Überfluss vorhanden waren. In Perioden der Dürre, wenn
der Regen ausblieb, das Gras nicht so üppig wuchs und die Schafe fad und
mager waren, schlossen sich die Säbelzahntiger zu kleinen Gruppen zusammen,
um größere Huftiere zu jagen. Dann war es nur natürlich, dass die tapfersten Jäger,
die am meisten riskierten, die besten Stücke vom Fleisch bekamen. Menschen
standen selten auf der Speisekarte der prächtigen Katzen, denn obwohl diese
Kreaturen mit ihren primitiven Keulen nicht gegen Säbelzähne anstinken konnten,
gab es von ihnen einfach zu wenige. Und Mammuts ging man besser aus dem Weg, es sei denn, man stieß auf ein verletztes Exemplar. Das gab ein Festmahl, Kinder!
      Eines Tages begab es sich, dass ein paar Säbelzahntiger meinten, ein Säbelzahntiger, der kein Fleisch mehr fresse, sei ein viel edleres Wesen, als ein erfolgreicher Jäger. Von diesem Tage an spielten alle verrückt. Plötzlich galt es als eine bedeutendere Leistung, etwas der Natur entsprechendes nicht zu tun, als etwas der Natur entsprechendes besonders gut zu tun.
      Man erfand den allmächtigen Großen Tiger, von dem alle Säbelzahntiger abstammten und bestand darauf, dass die jungen Katzen diesem, statt den Jägern, für ihre Mahlzeiten danken sollten. Brach aber eine Seuche aus, welche die  gesamte Population der Säbelzahnbewehrten in einem Landstrich dahinraffte, machte man nicht etwa den Großen Tiger dafür verantwortlich, der ja immerhin allmächtig war, sondern jene, die an der Großer-Tiger-Geschichte zweifelten. Das war gar nicht mal so dumm, denn so konnte man solche Jäger, die nicht ohne Ruhm leben konnten, mit der Jagd auf die Zweifler beschäftigen.
      Nun begann man, den besten Jägern nur noch so viel von ihrer Beute zu lassen, dass sie die Kraft hatten, weiter zu jagen. Alles andere nahm man ihnen weg, um die zu füttern, die zum Jagen zu dumm oder zu faul waren. Das hatte zur Folge, dass sich einige Säbelzahntiger absichtlich dumm stellten, um sich nicht mehr für die Dummen anstrengen zu müssen. Andere Säbelzahntiger fraßen sogar gewisse Pflanzen, obwohl sie wussten, dass davon ihre Zähne ausfielen und ihre Augen trübe wurden. Aber sie wussten ja außerdem, dass man sie nicht verhungern ließe und diese Pflanzen machten sie noch gleichgültiger, als sie es ohnehin schon waren.
      Während früher ein Säbelzahntiger, der einem anderen geschadet hatte, in die Wüste gejagt wurde, wo er hungern musste, verbot man ihm nun das Jagen und fütterte ihn. Besonders faule Tiere fanden diesen Zustand bald erstrebenswert und schadeten den anderen, wo sie nur konnten.
      Einem Säbelzahntiger, der vorgab zu lernen, wie man ein Mammut erlegte, schenkte man bald mehr Beachtung, als einem, der tatsächlich ein großes Huftier erlegt hatte. Oft erklärte
man sogar besonders mutige Jäger zu einer Gefahr für die Gesellschaft und nahm
ihnen gleich alles weg. Derjenige hingegen, der vorgab ein Mammut erlegen zu wollen,
lebte bis an sein Ende von der Beute der Tapferen, ohne auch nur ein einziges Schaf erlegt zu haben.
      Es kam, wie es kommen musste: Die Säbelzahntiger starben aus.
      Nun, liebe Kinder, das ist natürlich eine Fabel. Kein Mensch kann sich vorstellen, dass ein schönes Tier wie der Säbelzahntiger wirklich so dämlich sein konnte. Eigentlich kann man sich überhaupt kein so dämliches Lebewesen vorstellen, oder? Warum erzähle ich euch das dann?



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A K Ü F I

Es heißt, wir hätten in Deutschland einen AKÜFI. Das bedeutet Abkürzungsfimmel und es handelt sich um ein Vorurteil, das ich bestätigen kann. Wenn man mir erzählt, dass nächste Woche der DFB gegen den BDM spielt, verstehe ich das. Bei DSDS und GZSZ musste ich nachfragen, denn bei der Behauptung, wir bildungsfernen Hinterwäldler säßen den ganzen Tag vor dem Fernseher, handelt es sich um ein falsches Vorurteil.

Vor 20 Jahren hatte ich meine Arbeitszeit auf acht Stunden am Tag reduziert und mein Arbeitstag begann erst am frühen Nachmittag. Ich hatte noch kein Haus und keine Familie, die Harley lief und an der Uni gab es lustige Vorlesungen über Sex und Drogen. Psychologie und Soziologie. Ich war damals ein Guerilla-Student. Ich besuchte in meiner Freizeit Vorlesungen und Seminare zu Themen, die mich interessierten, an drei Universitäten. Dass ich nicht einmal auf einem Gymnasium war, merkte keiner.

Wollt ihr wissen, was einen Rocker, der die Lederjacke weglässt, äußerlich von einem Studenten der Sozialwissenschaften unterscheidet? Der Rocker wäscht sich öfter! Wenn ich am Wochenende gesoffen hatte, fiel ich jedenfalls nicht auf. Diese Vorlesungen waren so unterhaltsam, dass sich sogar regelmäßig BWL Studenten einschlichen. Über die geschniegelten Typen mit ihren Laptops machten wir uns gerne lustig und sie waren immer schnell beleidigt. Mal sehen, ob die Sozialfuzzies mehr Humor haben!

Eines Tages kam ich zu früh zur Vorlesung und ließ mich von Freunden dazu überreden, mir die Zeit mit einer Stunde Jura zu vertreiben. Es ging um Vaterschaftsklagen. Wenn ihr eine Überdosis AKÜFI braucht, müsst ihr euch unbedingt unter Juristen begeben.

Der Professor hielt einen unglaublich ermüdenden Vortrag. Ungefähr jeder dritte Satz handelte von GV in der GEZ. Bitte nuschelt diese Abkürzung nun öfter vor euch hin, ohne die Stimme zu erheben, dann versteht ihr vielleicht, was ich meine! Wonach ich die Stunde überlebt hatte, wollte ich gerne wissen, was das bedeutet. Wenn ihr keine Anwälte seid, werdet ihr staunen. Es bedeutet „Geschlechtsverkehr in der gesetzlichen Empfängniszeit“.


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Griechenland

Es war in einer griechischen Bar. Jenseits des Mainstream-Tourismus. Ich war mit einem griechischen Freund unterwegs, der in Deutschland studierte.

Zwei junge Bauern aus den Bergen betraten den Laden in ihrer schönsten Festtags-Tracht. Sie orderten eine Flasche Whisky und Gläser. Wir kamen ins Gespräch und erfuhren, dass diese stolzen Burschen einmal im Jahr herunter kamen, um sich mit gutem Whisky die Kante zu geben. Sie waren bis an die Zähne bewaffnet und sie erzählten uns von dem Panzer, den sie in einer Höhle versteckt hatten. „Falls die Türken wieder kommen.“

Bei einigen Unternehmungen begleitete uns der Vater meines Freundes. Er war Arzt und hatte seine Praxis in Deutschland aufgegeben, um eine Stellung in einer Kurklinik anzunehmen. Mit dem Bau dieser Klinik hatte man eben erst begonnen. Mein Freund erklärte mir, dass die Arbeitslosenquote in dieser Gegend zumeist bei über 50% lag. Die Regierung schickte eine Baufirma. Das hieß, dass ein paar ausgebildete Fachkräfte kamen. Mehr als hundert Hilfskräfte wurden vor Ort angeheuert. Und weil diese Menschen nach der Fertigstellung der Klinik wieder entlassen wurden, ließ man sich Zeit.

Dass die Uhren in Griechenland ganz anders tickten, hatte ich schon bei meiner ersten Reise erfahren. Damals besuchte ich mit Freunden eine Insel, die kurz vor ihrer Entdeckung durch den Massentourismus stand. Diese Insel stand im Ruf, das größte offene Irrenhaus Europas zu sein. Zwielichtige Gestalten aus allen Teilen der Welt lebten dort. Wir brauchten nicht lange, um heraus zu finden, dass mehrere Australier, denen wir begegneten, in Wirklichkeit Engländer waren, die von Interpol gesucht wurden. Wahrscheinlich muss man einiges leisten, um auf einen Interpol-Steckbrief zu kommen, aber auf der Straße stellt man keine Fragen.

Ich habe in Griechenland Abenteuerurlaub gemacht und mich gebildet. Ich habe die großen Stätten der Antike und des Mittelalters gesehen, die gewaltigen Eichenwälder in Richtung Arkadien durchwandert und ich war mit dem Motorrad auf Straßen unterwegs, auf denen mehr Geröll lag als in ausgetrockneten Flussbetten. Was ich dort kennen gelernt habe, war kein anderes Land. Es war eine andere Welt. Nun versucht man dort, die Uhren mit Gewalt dem Rhythmus unserer Uhren anzupassen. Ich fürchte, diese Welt wird zerbrechen. Und unsere Welt wird in jeder Hinsicht ärmer werden.



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Diese Typen


Kennt ihr diese Typen, bei denen es scheißegal ist, ob man ihnen fünf Euro oder 5.000 Euro in die Hand drückt, weil sie das Geld so oder so möglichst schnell auf den Kopf hauen? Wenn sie die Kohle nicht für etwas völlig unnützes verprassen oder die Freundschaft ähnlich verkommener Subjekte damit erkaufen, kann man sich darauf verlassen, dass sie sich die tatsächlich notwendigen Waren und Dienstleistungen in minderwertiger Qualität andrehen lassen. Um so mehr Geld sie in die Finger bekommen, um so mehr verschulden sie sich an anderen Stellen. Sie erdreisten sich, euch den richtigen Lebenswandel zu predigen, obwohl sie ihr eigenes Leben nicht im Griff haben. Wenn ihr sie durchschaut und ihr euch weigert, ihr liederliches Dasein zu unterstützen, werdet ihr schnell als Verbrecher beschimpft. Wenn ihr euren Verstand noch halbwegs beisammen habt, werdet ihr euch solches Pack vom Hals halten. Oder? Und nun stellt euch vor, solche Menschen hätten die Macht, um euch nicht nur als Verbrecher zu beschimpfen, sondern euch auch so zu behandeln, wenn ihr versucht, sie euch vom Hals zu halten! Dann nennt man sie „Regierung“...


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Meine Art von Streik

Zwei Drittel des Einkommens raubt uns der Staat, der den Alltag verteuert, wo er nur kann und der dann seine Vertreter einen Mindestlohn fordern lässt. Nicht etwa, damit sich der einfache Arbeiter ein Haus oder ein größeres Auto leisten kann, sondern nur, damit er damit Rechnungen bezahlt, die er ohne die Politik gar nicht hätte. Dass die Gewerkschaften für popelige 3 Prozent auf die Unternehmer losgehen und sich nicht für die 70 Prozent, die der Staat raubt, zuständig fühlen, ist immer noch herzlich wenigen Menschen verdächtig. Dabei ist es doch offensichtlich, dass 3 Prozent Lohnerhöhung nicht die Kaufkraft des einzelnen Arbeiters erhöhen, aber sehr wohl die Einnahmen, die die Gewerkschaft aus den Mitgliedsbeiträgen erzielt, steigen lässt. Mit weniger Steuern und weniger Bürokratie wäre zwar dem arbeitenden Menschen mehr geholfen, aber damit lässt sich kein Profit machen. Und nun kommt mir nicht mit den Superreichen, die ruhig etwas abgeben können! Nach den Vorstellungen der Sozen ist jeder reich, der sich die Mühe gemacht hat, einen Beruf zu erlernen. Von diesen Typen, die ihre Zeit mit Koks und Nutten auf ihrer Luxusyacht verbringen, gibt es nämlich nicht genug und deshalb sind im Zweifelsfall immer die Facharbeiter und die kleinen Unternehmer die Reichen. Davon abgesehen kotzt mich Sozialneid an und ich gönne auch jedem Besitzer einer Luxusyacht ein schönes Leben, wenn er mir nicht auf die Füße tritt. Und jemand, der den Tag auf seiner Luxusyacht verbringt, kann wahrscheinlich besser mit Geld umgehen, als unsere Politiker, die Hunderte von Millionen in den Sand setzen und dann davon ablenken, indem sie ein großes Trara um jemanden machen, der 10 Millionen, für die er selbst gearbeitet hat, in Sicherheit bringt. Wisst ihr was? Wenn ich keine Familie hätte, würde ich es in Erwägung ziehen, in einem Wohnwagen zu leben und mir einen Job als Staplerfahrer zu suchen. Für höchstens acht Euro in der Stunde. Das wäre meine Art von Streik!



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Tod in den Wäldern



„Verdammt!“ fluchte der junge Mann, „mein Nachbar, um den ich mich für ein paar Jahre gekümmert habe, ist verstorben und hat mir Haus und Auto hinterlassen. Hat er sicher gut gemeint. War noch etwas Grundschuld drauf, aber nicht so viel, dass das Haus keinen Wert mehr gehabt hätte. Doch wonach ich alle Formalitäten erledigt und alle Steuern bezahlt hatte, schnitt mein Bankkonto hässliche Fratzen und ich musste mich beeilen, alles zu verkaufen.“
„Konntest du das nicht ausrechnen, bevor du das Erbe angetreten hast?“ wollte der alte Mann wissen.
„Konnte ich nicht,“ sagte der junge Mann, „denn man bekommt erst Einblick in die Papiere, wenn man das Erbe annimmt.“
„Da kannst du aber froh sein, dass du nicht noch für die Beerdigung aufkommen musstest,“ schmunzelte der Alte, „wir Leute in den Wäldern wissen zum Glück, wie man diesen Behördendreck umgeht.“
„Ach, ihr Leute in den Wäldern seid doch arme Schlucker. Die Hälfte von euch ist nicht registriert und ihr könnt froh sein, wenn die Behörden eure armseligen Unterkünfte nicht finden. Hast du etwa etwas zu vererben? Du hast ja nicht einmal ein Bankkonto!“
„Nein, ein Bankkonto habe ich nicht,“ grübelte der alte Mann, „nur etwas geerbten Familienschmuck und ein paar bescheidene Ersparnisse, die ich in Gold- und Silbermünzen angelegt habe. Zwei kleine Schatzkisten habe ich in den Bergen versteckt.“
„Zwei?“ wunderte sich der junge Mann.
„Ja,“ erklärte der Alte weiter, „und die passenden Schatzkarten hat ein zuverlässiger Freund im Ausland. Du weißt ja, dass mein Junior in die Stadt gezogen ist, um sich die Hörner abzustoßen. Welche der beiden Kisten er erbt, hängt davon ab, ob er lernt, vernünftig mit Geld umzugehen.“
„Wieso? Was unterscheidet die Kisten?“
„Nun, wenn er ordentlich wirtschaftet, bekommt er die Kiste mit dem Familienschmuck, den Münzen und einer Bibel.“
„Und wenn nicht?“ Der junge Mann war nun richtig neugierig.
„Dann bekommt er die andere Kiste. Kein Familienschmuck. Keine Münzen. Nur eine Bibel. Und mein kleines Vermögen ist so gut versteckt, dass es frühestens in 100 Jahren durch Zufall entdeckt wird. Dem Finder wünsche ich viel Spaß damit.“
Der junge Mann staunte über so viel Gerissenheit. „Aber wie haltet ihr es in den Wäldern mit den Bestattungen? So etwas kostet Geld und man kann keine Leiche ohne Papiere in die Stadt karren, ohne sich verdächtig zu machen.“
„Nein, eine Bestattung kostet kein Geld, denn jeder gesunde Mann kann ein Loch graben und einen Sarg aus ein paar Brettern machen,“ sagte der Alte bestimmt. „Nur der Pastor bekommt etwas.“
„Illegale Bestattungen in den Wäldern? Welcher Pastor macht das mit?“ fragte der junge Mann ungläubig.
„Unser Pastor ist eigentlich ein Forstwirt, der irgendwann entschied, dass die Leute in den Wäldern auch ein Recht auf geistlichen Beistand haben. Wenn sie kein Geld für ein legales Begräbnis auf dem städtischen Friedhof besitzen, sollen sie ihre Toten trotzdem nicht wie Hunde verscharren müssen. Er macht eine gute Arbeit. Als er letzte Woche, beim Begräbnis meines Vetters Jakob, den 23. Psalm las, wussten wir, dass wir alles richtig machen. Wir haben dem Pastor ein Huhn gegeben, doch der Arzt hat vorher schon ein Schwein gekostet. Die Witwe hat nun wieder ein Ferkel, das sie großziehen wird.“
„Du flunkerst doch!“ sagte der Junge, „dass ihr Leute in den Wäldern euer eigenes Ding macht, weiß ich ja schon länger, aber dass ihr seit Jahren eure Toten dort draußen begrabt, kann ich mir nicht vorstellen.“
Der Alte grinste ihn an: „Natürlich flunkere ich. Aber nur ein kleines bisschen und es steckt noch zu viel Wahrheit in der Geschichte, um mich einen Lügner zu nennen. Wer sucht, der findet, steht geschrieben aber es steht auch geschrieben, dass man Perlen nicht vor die Säue werfen soll.”

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