Als ich 18 Jahre
alt war, arbeitete ich für einige Monate in einer Farbenfabrik.
Meistens hatte ich im Freien zu tun und dafür war ich dankbar,
denn wenn ich nicht damit beschäftigt war, verrostete Container
von innen mit Abbeizer zu säubern, machten mir die Chemikalien
dort weniger zu schaffen. Nur die Pfützen mit Verdünnung,
durch die man auf dem ganzen Gelände lief, kosteten mich ein
Paar Schuhe. Damit konnte ich leben, denn immerhin verdiente ich über
11 Mark in der Stunde und es sollte Jahre dauern, bis ich wieder
einen so guten Lohn bekam.
Am Rand des
Geländes gab es eine Wiese, auf der Unmengen von leeren Fässern
standen, die zu entsorgen zu teuer war und die nur sehr sporadisch
von Zulieferern mitgenommen wurden. Eines Tages bekam ich den
Auftrag, gemeinsam mit einem Kollegen lange Holzpfosten in den Boden
zu schlagen, zwischen welchen die Fässer liegend gestapelt
werden konnten.
Auf einem Fass
stehend den Vorschlaghammer zu schwingen ist eine üble
Knochenarbeit. Noch viel übler ist diese Arbeit, wenn es regnet.
Regen war keine gültige Ausrede, um sich vor der Arbeit zu
drücken. Und es regnete richtig.
Bald sah ich
nichts mehr, meine Füße rutschten auf dem Fass und meine
Muskeln schmerzten von der Anspannung, die nötig war, um den
nassen Hammerstiel zu halten. Einigermaßen trocken war nur noch
das Geräusch, mit dem der Hammer auf das Holz traf.
Aber ich war 18
Jahre alt und ein 18jähriger verfügt noch über
Kraftreserven, mit denen er sich selbst überraschen kann. Diese
Kraft zu spüren bedeutete, das Leben zu spüren. Diese Kraft
war das Leben.
Die Arbeit wurde
fertig und wenig später war ich mit dem Job in der Farbenfabrik
fertig und für mich begann ein neuer Lebensabschnitt.
Die Geschichte liegt nun 30 Jahre zurück und obwohl
mir meine Augen und meine Gelenke zu schaffen machen, ist noch genug
von der alten Kraft vorhanden. Ich bin nie reich oder wichtig
geworden, aber wenn ich in den Bergen bin und der Regen prasselt in
mein Gesicht, spüre ich einen Reichtum, der mit Geld nicht zu
bezahlen ist. Dann spüre ich das Leben und wenn ich es eines
Tages nicht mehr spüre, habe ich es zumindest gespürt.
Copyright © 2018 by Holger Pinter. Alle Rechte vorbehalten.
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